Ohne Euch

Ohne Euch

Samstag, 12. April 2014

ein Sternenfreund für meine Sterne

Es ist schon wieder einige Zeit vergangen, seit ich euch das letzte Mal geschrieben habe. Und wieder ist viel passiert. Zuviel. Ich dachte wirklich, das neue Jahr wird besser, aber wie es aussieht, wird es noch schlimmer, zumindest ist es das bis jetzt. Wir haben schon zwei Menschen verloren, die uns sehr wichtig waren. Mein Patenkind und meine Schwiegermutter. Zwei Beerdigungen und es ist gerade mal April. Das kann doch nicht richtig sein. Dazu kommt noch, dass ich vor einem Jahr gerade schwanger war. Da war ich so voller Hoffnung und auch voller Angst. Warum ist das Leben eigentlich so ungerecht? Was habe ich getan, um soviel ertragen zu müssen?

Meine Freundin war auch so voller Hoffnung. Sie wollte mir zeigen, wie es richtig geht. Ich hatte vorher Angst, wie es wäre, wenn sie schwanger werden würde. Aber als sie mir das Bild ihres positiven Tests schickte und erzählte, dass sie wirklich schwanger ist, hab ich mich so sehr gefreut. Und von Anfang an war ich so voller Hoffnung und Zuversicht. Sie würde mir zeigen, wie es geht und wir würden uns gemeinsam über ihr Kind freuen. Gemeinsam erlebten wir Woche um Woche, ich fieberte mit ihr, wenn sie ihre Arzttermine hatte und freute mich jedesmal so sehr, wenn es wieder gute Nachrichten gab. Es lief alles so anders, als bei mir und mit ihrer Schwangerschaft begann auch ich langsam wieder an eine eigene zu denken. 

Die größte Freude machte sie mir dann, als sie mich an meinem Geburtstag fragte, ob ich Patin werden möchte. Natürlich wollte ich, eigentlich stand die Antwort sofort fest. Ich wollte Patin sein, liebte ich dieses Kind doch jetzt schon so sehr. Es würde so schön werden. Erst würde ich mein Patenkind in den Armen halten können und dann irgendwann mein eigenes Kind. 

Dann aber kam der Tag, der alles veränderte...mal wieder. Bei einer Routineuntersuchung wurde festgestellt, dass kaum noch Fruchtwasser da war. Und beim Feindiagnostiker dann kam die Diagnose, die uns alle in Schockstarre versetzte. Das Kind hatte keine Nieren und war somit nicht lebensfähig. Es würde sterben, so bald es geboren wurde, wahrscheinlich sogar schon vorher. Es hatte keine Chance, das Leben nahm ihm und uns, vor allem seinen Eltern jegliche Hoffnung. Mir gingen sofort sämtliche Szenarien durch den Kopf. Ich bin in einigen Sternenkinder-Gruppen und kenne mittlerweile soviele solcher Geschichten und Schicksale, dass ich genau wusste, was jetzt passieren würde. Meine Freundin und ihr Mann entschieden sich, die Geburt einleiten zu lassen. Ich saß hier und wollte sofort zu ihr, für sie da sein. Doch mitten in den Reisevorbereitungen zu ihnen, sie wohnen 4 Stunden von mir entfernt, wurde mir plötzlich bewusst, was da gerade wirklich geschah und ich brach völlig zusammen. Es würde bald ein neues Sternenkind geben, mein Patenkind würde ebenso seine Reise in den Sternenkinderhimmel antreten. 

So sehr ich es auch wollte, es hatte keinen Sinn, diese Fahrt auf mich zu nehmen. Es war unverantwortlich und schliesslich entschied ich, zuhause zu bleiben. Ich musste schliesslich arbeiten, auch wenn ich das kaum hin bekam. Eigentlich war ich in jeder Sekunde mit meinen Gedanken bei meiner Freundin. Ich hätte ihr das alles so gerne erspart. Aber ich konnte es nicht, es musste seinen Lauf nehmen. 

Am 18. Februar kam Julian, mein Patenkind auf die Welt und trat sofort seine Reise in den Sternenkinderhimmel an. Er wog 290g und war 26 cm groß. Und er war so wunderschön. Wunderschön und perfekt. Ich habe mich sofort in diesen kleinen Kerl verliebt und er nahm ein Stück meines Herzens mit auf seine Reise. Meine beiden Sterne haben ihn die ganze Zeit über begleitet und sind mit ihm auch diesen Weg gegangen. Ich bin mir so sicher, sie haben immer auf ihn aufgepasst. Jetzt sind sie zu dritt da oben und passen von da auf uns auf. Und ich bin hier unten und passe auf meine Freundin auf. Wir waren uns vorher schon sehr nah, doch das hat uns zusammen geschweißt. Wir sind jetzt gleich, wir fühlen dasselbe. Und wir trauern und weinen gemeinsam, genau wie wir auch gemeinsam lachen. Ich hoffe, ich konnte ihr auf ihrem schweren Weg ein bißchen helfen, weiß ich doch zu gut, dass einem eigentlich niemand so wirklich helfen kann. Denn der Schmerz ist da und wird immer bleiben. Es gehört jetzt zu unserem Leben dazu. Der Spruch "die Zeit heilt alle Wunden" ist eine große Lüge. Diese Wunden werden niemals heilen, wir lernen nur damit zu leben.