Ohne Euch

Ohne Euch

Samstag, 10. Juni 2017

Ich seh' dich

Ich sehe vor meinen Augen dein süßes Gesicht,
doch ich kenne die Farben deiner Augen nicht.
Habe nie das Strahlen darin gesehen,
musstest vorher schon von mir gehen.
Kleine Äuglein, die niemals weinen,
Kindertränen, die winzig kleinen.
Tränen, die schnell getröstet sind,
du nahmst sie mit, mein Kind.
Ich sehe das kleine Mündchen von dir,
doch es wird niemals rufen nach mir.
Es ist so süß und lächelt sogar dabei,
gingst schon vor deinem ersten Schrei.


Die Wangen noch nicht ganz babyrund,
obwohl kein Leben in dir ist, ist alles gesund.
Ich weiß, wie dein Näschen empor sich reckt,
doch du rümpfst es niemals ganz keck.

Ich sehe deine kleine Stirn, du Maus.
Doch du ziehst sie niemals kraus.
Wirst sie niemals ärgerlich runzeln
und dabei noch vermessen schmunzeln.

Du hälst deine Händchen fest an dich,
doch streicheln werden sie mich nicht.
Kleine Händchen, entzückend anzuschau'n,
werden sich mir nie suchend anvertrau'n.

Deine Füßchen so klein und zart
werden niemals stampfen ganz hart.
Wirst niemals kindliche Wut fühlen
und verwegene Empörung spielen.

Die Haut ist noch so fein und dünn
doch sie wird nie fühlen, wenn ich da bin.
Sie konnte nie meine Wärme spüren.
Musste dich so früh verlieren. ♥

Freitag, 2. Juni 2017

Dein letzter Weg

Seit zwei Monaten schiebe ich es jetzt schon vor mir her, das hier zu schreiben. Ich gebe zu, die letzten Wochen und Monate ging es mir gar nicht gut. Es kommt wohl mal alles raus, was wir in den letzten 12 Jahren erlebt und durchlebt haben. Und ich merke, dass ich meine Grenzen überschritten habe und dass es dieses Mal wesentlich schwerer wird, wieder zu einem "normalen" Alltag zurück zu finden. Ich werde viel Zeit und auch Hilfe brauchen, und beides nehme ich mir. Gemeinsam mit eurem Papa, dem es auch nicht gut geht. Das Schicksal hat uns in die Knie gezwungen, aber wir werden wieder aufstehen, irgendwann, neu gestärkt. 

Der Grund für diesen Eintrag ist dein letzter Weg, den wir am 30. März gemeinsam mit dir gegangen sind. Wir schon bei deinen beiden Geschwistern fand von unserem Krankenhaus eine Sternenkinder-Gedenkfeier statt. Und weil deine beiden Geschwister dort auch ihr Erdenbettchen haben, wollten wir natürlich, dass auch du dort dein Bettchen bekommst.

Wir hatten beide große Angst vor diesem Tag. Wir wussten so genau, was uns erwartet und wir wussten beide, wie schwer und schmerzhaft es werden würde. Und es war sofort wieder genau, wie bei den ersten Malen. So bald wir dort ankamen und ich die Trauerhalle sah und dieses Schild "Sternenkinder-Gedenkfeier" musste ich weinen. Dieser Ort ist für mich so voller Schmerz und Trauer, dass ich es sofort körperlich und seelisch spüre. Diese Gedenkfeier wird, wie schon seit Jahren, von einem katholischen und evangelischen Geistlichen zusammen gemacht. Die beiden begrüßten alle, die ankamen und warteten und hatten für alle ein tröstliches Wort. Einer von beiden kam dann auch zu uns, und als ich ihm erzählte, dass wir schon zum dritten Mal da waren, und unser drittes Kind, dieses Mal eine Tochter beerdigen würden, war er zutiefst gerührt und als ich wieder weinen musste, kamen auch ihm die Tränen. Diese kleine Geste, diese Reaktion berührte mich so sehr, es ging dort nicht nur um Fehlgeburten, es ging um jedes einzelne Kind, was dort betrauert wurde.

Die Gedenkfeier war wieder sehr schön, es wurden Texte vorgelesen. Dann haben wir wieder Teelichter angezündet, um euch den Weg zu leuchten, und diese wurden auf Sterne auf dem Boden gestellt. Eine Frau spielte "Somewhere over the Rainbow" und euer Papa und ich mussten immer wieder so sehr weinen. Du hast in diesem Moment so unendlich gefehlt. Warum musste ich dort wieder sein, statt mich auf dich freuen zu dürfen? Womit haben wir so viel Leid und Schmerz nur verdient?

Als die Gedenkfeier zuende war, sind wir in einem Trauerzug über den Friedhof zu den Sternenkinder-Gräbern gezogen. Ich musste wieder daran denken, wie wir das erste Mal dort lang gegangen waren. Und wie ich damals dachte, dass wir doch da so falsch waren und warum man sein Kind so verlieren und dort beerdigen musste. Auch jetzt habe ich mir nichts mehr gewünscht, als einfach aus diesem Alptraum zu erwachen. 

Als wir bei den Gräbern ankamen, war an einem Grabstein euer Bettchen ausgehoben. Es lag neben dem, wo Pünktchen liegt. Und auf dem Grab lag immer noch das Herz, was wir vor vier Jahren dort gelassen hatten. Das gab mir irgendwie ein gutes Gefühl, es war die ganze Zeit bei euch gewesen. Die Sonne schien, als würdest du uns etwas sagen wollen. Es wurden noch einige Worte gesprochen und dann wurde die Urne in dein Bettchen hinab gelassen. Da war er also da, der Zeitpunkt, Abschied zu nehmen. Wir sind zu dir gekommen und haben uns von dir verabschiedet. Wir hatten einen kleinen Stein mit einem Seestern und mit deinem Namen darauf dabei, den konnte ich auf den Grabstein legen. Dann mussten wir uns verabschieden und dich in deinem Erdenbettchen zurück lassen. Du bist dort nicht alleine, deine Geschwister sein bei dir. Und oben im Sternenkinderhimmel geht es euch gut, da tobt ihr mit Leo über die Wolken und wartet darauf, dass wir uns eines Tages wieder sehen. Für uns ist es eine so unendlich lange Zeit, für euch nur ein Wimpernschlag.

Als wir den Friedhof wieder verließen, fühlte ich mich irgendwie erleichtert. Der Schmerz war nicht weniger, aber ich war dennoch erleichtert, diesen Schritt getan zu haben. Es war ein Schritt mehr auf unserem Trauerweg. Und auch heute, dein eigentlicher Geburtstermin ist ein solcher Schritt. Bis jetzt war da immer noch dieser Gedanke, wie weit ich wäre, und ob du schon da wärst. Jetzt ist auch diese Schwangerschaft endgültig vorbei, auch in meinen Gedanken. Und du bleibst für immer dort oben, so weit entfernt. Immer noch ertappe ich mich, dass ich kurz denke, dass vielleicht doch alles gut ist. Aber sofort werde ich von der Realität eingeholt. Du bist fort und kommst nie wieder zu mir zurück. Damit muss ich leben, irgendwie. Bis wir uns dann eines Tages wiedersehen.

Errechneter Geburtstermin

Geliebte Stella, unsere kleine Tochter, wie gerne hätten wir dich heute willkommen geheißen und in unseren Armen gehalten. 🌟 Stattdessen sitzen wir hier und spüren heute noch mehr, als sonst schon jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und Sekunde, wie sehr du und deine beiden Geschwister uns fehlt. 💔 Wir hätten so gerne mit dir dein Leben entdeckt, dein kleines Extra hätte es noch mehr zu etwas besonderem gemacht. 
Wir lieben dich und werden dich immer lieben und nie vergessen.